Die Villa Straus - Wie Rudolstädter Porzellan ins Kaufhaus Macy’s kam
von Dr. Renate Reuther
Das Haus Gebindstraße 6 wurde nach dem zweiten Weltkrieg von der Tuberkulosefürsorge genutzt. Allerdings verließ man sich ganz auf die alte Bausubstanz und renovierte nicht, bis schließlich der Schornsteinfeger im März 1969 sein Veto einlegte und mit einer Schließung des gesamten Hauses drohte. Heute ist unter anderem immer noch eine lungenärztliche Praxis darin untergebracht. Allerdings war das Haus nicht für diese Nutzung geplant, sondern musste sich, wie die meisten Villen, als flexibel erweisen.
Der Fabrikbesitzer Julius Straus beantragte am 18.12.1911 den Bau eines Landhauses nach Plänen der Architekten Föhrer mit Baukosten von 31.000 Mark. Herr Straus hatte schon 1909 bei der Familie Ronneberger in der Gebindstraße 10 gewohnt und war noch 1912 in der Gebindstraße 7 gemeldet, von dort aus übernahm seine Frau die Bauaufsicht. Frau Straus kam dort nach dem Krieg wieder unter, als ihr Haus von den Amerikanern und Russen besetzt wurde. Ein Teil der Familie Straus war aus der Pfalz 1852 nach Amerika ausgewandert. Als einfacher Hausierer begann Lazarus Straus dort sein Leben, wurde später Teilhaber des Kaufhauses Macy’s in New York und gründete einen Glaswaren - und Porzellanhandel. Bei den zahlreichen Einkaufsreisen in Europa wurde die Idee geboren, doch gleich selbst eine Fertigung in Deutschland aufzubauen und so wurde 1882 in Rudolstadt die Strauss Pottery Co New York gegründet und innerhalb weniger Jahre zum größten und modernsten Betrieb in der Stadt. Zum Geschäftsführer wurde ein Nachfahre der deutschen Linie, der 1869 in Kaiserslautern geborene Julius Straus berufen. Straus war ab 10.06.1891 erstmals in Rudolstadt gemeldet, ließ sich nieder, heiratete hier Erna Wolff, die 16 Jahre jünger war als er und baute sich erst mit 42 Jahren die Villa an der Gebindstraße. Damit lebte er in der weiteren Nachbarschaft des Porzellanfabrikanten Eduard Müller, der ursprünglich die Firma Strauss Pottery in Rudolstadt aufgebaut hatte, bevor er seine eigene Fabrik gründete. Julius Straus stand weiterhin in Kontakt mit den amerikanischen Familienmitgliedern, die immer wieder nach Deutschland und dabei nach Rudolstadt kamen. Die Rückfahrt in die USA, natürlich 1. Klasse, buchte 1912 Isidor Straus mit Frau auf der Titanic. Sie weigerte sich mit den anderen Frauen in ein Rettungsboot zu steigen, da sie lieber bei ihrem Mann bleiben wollte. An beide erinnert eine Statue im Straus Park in New York (www.titanic-facts.com). Das Haus imponiert von außen durch seine behäbige Größe auf einem Natursteinsockel, die angedeutete Dreiflügelanlage und das mächtige Dach. Die Fassade ist relativ streng gegliedert, deutet aber im Mittelteil durch die hohen Fensterflächen und die Gestaltung der Loggia an, welchen Anspruch die Bewohner an eine repräsentative Lebensgestaltung hatten. Innen setzt sich diese strenge Kühle durchaus nicht fort, wenn auch einige Einrichtungsgegenstände schon im schnörkellosen Stil des Werkbundes gehalten sind. Während die Wohnräume von der neuen Zeit zeugen, ist das Herrenzimmer noch im schweren Stil des Historismus gehalten. Vielleicht ist dies auch einfach Ausdruck der Tatsache, dass der Hausherr einen konservativeren Geschmack hatte als seine jüngere Ehefrau. Auffällig waren auch die Spannteppiche, die sich allgemein erst viel später durchsetzten, wie auch die handwerklich sehr aufwendige Bespannung der Wände mit Stoffen.
Historische Innenansicht
Herr Straus starb 1933, seine Frau blieb während der Kriegszeit hier. Nach dem Krieg begannen aber die Schwierigkeiten erst richtig. So wurden Familien in das Haus eingewiesen, die Heizung war zu verschwenderisch und konnte nicht betrieben werden. Es galt also in den früheren Wohnräumen Kochgelegenheiten und Öfen aufzustellen. Diese Schwierigkeiten dauerten noch bis ins Jahr 1948 an, als die Hausbesitzerin in dem ihr zugewiesenen Zimmer immer noch ohne Ofen war und der Winter vor der Tür stand. Sie benützte das Badezimmer über dem Gang, wo auf der mit einem Brett abgedeckten Badewanne eine provisorische Kochstelle eingerichtet war. Frau Straus lebte dann im Altenheim in Cumbach. Sie vermisste dort sehr ihre prachtvollen Rosen, die in der Gebindstraße ihr ganzer Stolz gewesen waren. Dafür pflegte sie den Rosengarten an den Bauernhäusern.
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