Schloßstraße 25 – Ein Haus und seine Menschen durch ein Jahrhundert
von Astrid von Killisch-Horn
Zu einer Zeit, in der allenthalben prächtige Bauten mit den aufwändig gestalteten Fassaden des Historismus und des Jugendstils errichtet wurden, entstand an der Schloßstraße eine Villa mit einem ungewöhnlich schlichten, zurückhaltenden Gesicht. Sie wirkt sehr groß und mächtig auf ihren Betrachter, der von unten von der Straße zu dem Gebäude am Hang hinaufschaut. Große Fenster strukturieren die Fassade, und die Gestaltungselemente sind so sparsam angedeutet, daß ein in sich ruhender, friedvoller Eindruck entsteht. Das Haus ist auf dem für das Viertel typischen Sockel aus Sandstein errichtet – hier ist er rot – und nur die Giebel sind an zwei Seiten des Hauses mit grauem Sandstein (heute überstrichen) aufwändiger ausgearbeitet. Der erste Anstrich war gelb und so solide gearbeitet, daß er das Haus genau 100 Jahre bedeckte. Der Putz, 12 cm dick, mußte bei der Fassadensanierung im Jahre 2002 lediglich an der Wetterseite in größeren Flächen ausgebessert werden. Es scheint eine Einheit zu geben zwischen dem Erbauer und seiner Heimstatt. Der königliche Major Hanns-Günther von Necker gab es in Auftrag. Streng, schnörkellos, wertbeständig, innen wie außen. Wo in anderen Häusern mit farbigen Glasfenstern, Wandtäfelung und bunten Bodenfliesen gearbeitet wurde, findet man hier sparsamsten Stuck, geputzte Wände und Linoleumfußböden. Parkett liegt nur in den drei Gesellschaftsräumen in der Beletage, die durch große Schiebetüren, natürlich in dunklem Holz gehalten, miteinander verbunden ineinander übergehen. So setzt sich der Eindruck, den man von außen gewinnt, im Inneren fort. Von der großzügigen Diele gehen in beiden Wohnetagen die lichten Räume ab. Die Sonne durchflutet sie vom frühen Morgen bis zu ihrem Untergang, und über die Veranda ist der Anschluß an den großen Garten gegeben. Hier sollte sich die Familie wohl fühlen.41 Jahre war Hanns-Günther von Necker alt, als er mit seiner zwölf Jahre jüngeren Frau Emma und den drei kleinen Kindern Hanns-Leopold (geb. 1893), Hanns-Dietrich (geb. 1894) und Eleonore (geb. 1895 oder 1896) im Jahre 1901 aus Lichterfelde bei Berlin nach Rudolstadt kam. Das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt hatte, wie andere thüringische Kleinstsaaten auch, die sich kein eigenes Militär leisten konnten, mit Preußen eine Militärkonvention geschlossen, in deren Rahmen Preußen die militärische Sicherheit des Fürstentums garantierte und aus den eigenen Reihen die erforderlichen Regimenter stellte. Die Macht Preußens im Deutschen Reich war auf diese Weise noch dominierender als ohnehin schon. In Rudolstadt war zu diesem Zwecke das III. Bataillon des 7. Thüringischen Infanterieregiments Nr. 96 stationiert, dessen Kommandeur der gerade vom Hauptmann zum Major beförderte Hanns-Günther von Necker nun wurde. Nach einer Bauzeit von einem halben Jahr ließ er sich Ende 1902 in der Schloßstraße 25 nieder. Im darauf folgenden Jahr wurde das Nesthäkchen Hanns-Horst geboren und machte die Familie komplett. Eltern und Kinder bevölkerten die beiden Wohnetagen und den großen Garten, und die helle Veranda wurde beliebter Aufenthaltsort.
In der Veranda um 1905: Der königliche Major Hanns-Günther von Necker (geb. 1860), Hanns-Dietrich (geb. 1894), Hanns-Günthers Schwiegermutter (geb. 1848), Eleonore (geb. 1895 oder 1896), Hanns-Günthers Ehefrau Emma geb. Bender (geb. 1872), Hanns-Horst (geb. 28.08.1903), Hanns-Leopold (geb. 1893)
Es hätte ein heiteres, unbeschwertes Leben sein können, wenn nicht einige Jahre später die Familie von einer ungeheuren Tragödie getroffen worden wäre. Wie viele Kinder aus wohlhabendem Hause war auch Hanns-Dietrich von Necker von den Eltern zur Vertiefung seiner schulischen Ausbildung „auswärtig“ untergebracht worden, er besuchte das Bismarck-Gymnasium (heute Goethe-Gymnasium) im noblen Berlin-Wilmersdorf. Hier in der Fremde entwickelte er eine tiefe Freundschaft zu einem um ein Jahr älteren Mitschüler, der ihn mit seinen freien Reden und Gedanken inspirierte: Rudolf Ditzen. Als Hanns-Dietrichs Vater am 16. Januar 1909 an den Folgen eines Reitunfalls starb, wurden die Freunde getrennt und er kehrte zu seiner Mutter in die Schloßstraße zurück. Auch der Freund verließ mit seiner Familie Berlin, im selben Jahr. Der Vater Wilhelm Ditzen wurde zum Reichsgerichtsrat ernannt und setzte seine Karriere in Leipzig fort. Die beiden Jungen blieben in Verbindung. Was nun geschah wird verstehbar, wenn man Rudolf Ditzens Lebensweg betrachtet. Für einen ungestümen, aber auch schwermütigen Freigeist wie Rudolf hat die Enge eines Juristen-Haushaltes mit einem autoritären Vater, dessen Anerkennung ihm ein Leben lang versagt blieb, viele Reibungspunkte geboten und es wird berichtet, daß Rudolf bereits zu dieser Zeit „eine problematische Natur, der unordentliche Sohn aus ordentlichem Hause“ Q310b gewesen sei. Auch die Schulen durchlitt er als „pädagogische Kasernenhöfe voller Quälereien und kleiner Grausamkeiten“ Q309b, die dem zunehmend im Abseits Stehenden von Mitschülern und Lehrern angetan wurden. Er blieb zweimal sitzen und wechselte die Schulen so häufig, daß auch hier kein Ankerpunkt entstehen konnte. Einzig die Literatur, gelesen wie geschrieben, bot ihm die Fluchten, die er im wirklichen Leben nicht realisieren konnte. All das verstärkte sich dramatisch, als ein Unglücksfall ihn endgültig aus der Bahn warf. Am 17. April 1909 erlitt er in Leipzig einen schweren Fahrradunfall. Ein von vier Pferden gezogener Fleischerwagen überrollte seinen Körper und ein Hufschlag traf seinen Kopf. Fortan quälten ihn Kopfschmerzen, Schwindelanfälle und er wirkte oft, als könne ihn die Welt nicht mehr erreichen. Seine destruktive, überzogen selbstgefällige und von Weltschmerz geprägte Seite zog ihn mehr und mehr in die dunklen Abgründe jugendlichen Lebens hinab, Alpträume und Drogensucht wurden Ausdruck seines tiefen Leidens. So traf ihn Hanns-Dietrich wieder, als Rudolf in den Sommerferien des Jahres 1911, am 15. Juli, nach Rudolstadt kam, um hier die Unterprima des Fürstlichen Gymnasiums zu besuchen. Diesmal hatten die Eltern den „mißratenen Sohn“ in die kleine Residenzstadt verschickt, vielleicht, weil hier sein Freund lebte. Rudolf nahm bei Generalsuperindentent und Hofprediger Dr. phil. Arnold Braune am Schloßaufgang VI Nr. 1 Quartier. Bald schon überwarfen sich der Kirchenmann und der Zügellose, und Rudolf zog zu Oberst a.D. Oskar von Busse in die Mörlaer Straße 3 (heute Richard-Wagner-Straße 4). Als wären sie nie getrennt gewesen, war der Kontakt zwischen Rudolf und Hanns-Dietrich sofort wieder von großer Intensität geprägt. Es war Ferienzeit, und sie trafen sich fast täglich, redeten sich die Köpfe heiß, schwelgten in literarischen Höhen und machten verworrene Pläne. Sie saßen in der Veranda des Hauses Schloßstraße, zwei Pubertierende in der Krise. Und keine Stütze von außen. Hanns-Dietrichs Mutter hatte Angst um ihren Sohn, konnte aber nicht zu ihm vordringen. Wie hierbei die Rollen verteilt waren, läßt sich nicht mehr feststellen. Meist wird Hanns-Dietrich als der treue Gefolgsmann seines Vorbildes dargestellt, aber ob das zutraf, oder er eine selbstbestimmte Rolle innehatte, ist offen. Die ambivalenten Gefühle verbanden sie. Beide beseelte der Wunsch, Schriftsteller zu werden ebenso wie schon bald die tiefempfundene Todessehnsucht, die letztlich zur Katastrophe führte. Nur drei Monate nach dem Wiedersehen inszenierten sie auf dem Rudolstädter Bummel einen Eklat um eine gemeinsame Freundin, den sie wie zwangsläufig zu einem Duell führen ließen. Am 17. Oktober 1911 machten sie sich in aller Frühe zum Uhufelsen bei Eichfeld auf, ein langer Fußmarsch. Ob sie über den Tod sprachen? Ob sie ihr Vorhaben verklärten? Oder sich gegenseitig anspornten? Dieser Weg war nicht der Fall in die Tiefe, bei dem man noch bereuen kann, was man nicht mehr aufzuhalten im Stande ist. Selbst, als sie auf den Sonnenaufgang warteten, hielten sie an ihrem Vorhaben fest. Sie wollten gemeinsam sterben. Rudolf traf seinen Freund in die Brust. Hanns-Dietrich fiel, war aber nicht tot. „Schieß noch einmal, Harry“, bat er seinen Freund, und der tat noch einen Schuß. Dann erfüllte Rudolf das gemeinsame Versprechen, schoß sich in Herz und Schläfe. So fand ein Bauer, der die Schüsse gehört hatte, die beiden Freunde. Rudolf überlebte schwerverletzt, aber sein Freund, dessen Herz bereits vom ersten Schuß getroffen worden war, verstarb noch am Uhufelsen. Er wurde im Hause Schloßstraße aufgebahrt, wo am 19. Oktober 1911 die Trauerfeier abgehalten wurde. Rudolf Ditzen wurde nicht des Mordes angeklagt. „Das Gericht billigte dem Überlebenden und Wiedergenesenen Unzurechnungsfähigkeit zu“ Q309b und er verbrachte eineinhalb Jahre im Privatsanatorium Tannenberg bei Gera, dann ein Jahr als Landwirtschaftslehrling auf dem Rittergut Posterstein. Langsam genas er von diesem Trauma, und langsam begann er, das Leben in die Hand zu nehmen. Es wurde niemals einfach, niemals leicht, und er verlor niemals seine Sozialkritik. Aber neun Jahre nach dem Tode seines Freundes erschien sein erster Roman „Der junge Goedeschal“ unter dem Pseudonym – Hans Fallada.
In der Schloßstraße 25 blieb eine nun klein gewordene Familie zurück. Emma von Necker war jetzt fast 40 Jahre alt und hatte nicht nur ihren Mann verloren, sondern nun auch ihr zweitältestes Kind. Sie und ihr Mann hatten ein reges gesellschaftliches Leben geführt, zu dem auch der älteste Sohn des Ankerwerk-Begründers, Friedrich Adolf „Dolf“ Richter jun., gehörte. Er muß Emma von Necker in dieser schweren Zeit eine große Stütze gewesen sein, und es scheint sich eine tiefe Zuneigung entwickelt zu haben, denn sie heirateten am 26.10.1912. Der kleine Horst war neun, Eleonore „Nono“ 17 Jahre alt, und Hanns-Leopold hatte das Haus bereits verlassen und schon vor Hanns-Dietrichs Tod in Berlin seine Militärausbildung begonnen. Die neu gegründete Familie bezog die Richtersche Villa in der Schwarzburger Chaussee. Das Haus Schloßstraße 25 wurde fünf Jahre später, im Jahre 1917 verkauft, an das Ehepaar Hauptmann Karl Harlfinger und Frau Irmgard geb. Schilbach, die aber nicht hier wohnten, sondern bei Dresden beheimatet waren. Wahrscheinlich aus familiären und finanziellen Gründen wechselte eine Eigentumshälfte in den Folgejahren noch einmal an einen Fabrikbesitzer aus Plauen, bevor es wieder in stetiges Eigentum kam.
Anfang der 1920er Jahre ließ sich in Rudolstadt der Studienrat Dr. Walter Gießler nieder, der hier mit seiner Kollegin Margarete Klaunick eine Familie gründete. Die beiden prinzipientreuen, aber aus ganz verschiedenen Lebenswelten stammenden Menschen hatten sich vor dem 1. Weltkrieg an der Schule in Schlotheim kennen und lieben gelernt. Walter Gießler war als Sohn eines Landwirts in Dörnfeld bei Königsee aufgewachsen, Margarete Klaunick als Tochter eines Sachsen-Coburg und Gothaischen Hofamtsrates; der Herzog war Gast auf ihrer Hochzeit im Jahre 1920 in Coburg. Dr. Gießler begann seine berufliche Laufbahn in Rudolstadt am Städtischen Gymnasium, Mathematik, Physik und Chemie hatte er studiert und ist bis heute bei den älteren Rudolstädtern ein Begriff. Er war – ganz seiner Herkunft entsprechend - ein bodenständiger Mann. Erst nach ein paar Jahren der Berufstätigkeit machte er sich auf die Suche nach einem eigenen Haus für sich und seine nun vierköpfige Familie. Anders als die Bauherrengeneration sah er die Lage am Hang aus rein praktischen Gesichtspunkten: Hier konnte das Hochwasser sein Heim nicht erreichen, und der Weg zur Schule war nicht weit. 1926 und 1927 erwarb er das Haus in zwei Hälften für 35.000 RM, aber bis zum Einzug sollte es noch dauern. Am 18.04.1928 schreibt Margarete „Lull“ Gießler an ihre Mutter Helene Klaunick nach Coburg: „Umstehend eine schöne Ansicht unseres Hauses. Aussichten auf Einzug sind trostlos. Wir haben viel Ärger gehabt. Aber verschoben ist nicht aufgehoben.“ Kurz darauf konnte die Familie das Haus dann beziehen.
Historische Hausansicht
Es mag ungewöhnlich erscheinen, daß sich ein Studienrat ein so großes Haus leisten konnte, und es lohnt sich, diese Tatsache genauer zu betrachten. Der Mathematiker Dr. Gießler hatte viele Tätigkeitsfelder, die sein Einkommen aufbesserten. Vor allem für Versicherungen und Sterbekassen stellte er statistische Berechnungen an, und seine 1925 geborene Tochter Inge erinnert sich noch gut an den Tagesablauf ihres Vaters: Nach der Schule, dem Mittagessen und dem obligatorischen Mittagsschlaf arbeitete er am Nachmittag viele Stunden in seinem großen Garten. Dann begab er sich in sein Arbeitszimmer. Das „Räppelchen“, eine mechanische Rechenmaschine, war oft bis nach Mitternacht zu hören. Im Zuge dieser Tätigkeiten entstand schon vor dem Kauf des Hauses in der Schloßstraße ein besonderes Werk: Um das Jahr 1922 war Georg Kropp, Begründer des deutschen Bausparwesens, auf der Suche nach einem Mathematiker auf Dr. Gießler zugekommen, der in den folgenden Jahren die grundlegenden Berechnungen für die erste deutsche Bausparkasse, Wüstenrot, entwickelte. Das brachte neben der beruflichen Erfüllung Geld in die Kasse, und Dr. Gießler war dadurch 1924, als Wüstenrot den Geschäftsbetrieb aufnahm, natürlich auch einer der ersten Bausparer Deutschlands. Das Prinzip, daß viele sparen, damit dann einem nach dem anderen aus dem gemeinsamen Topf das Geld für eine Immobilie mit erschwinglichen Konditionen zur Verfügung gestellt werden konnte, verhalf auch Dr. Gießler zu seinem Haus. Bis zu seinem Tode blieb er dem Unternehmen treu und war von den 1920er Jahren bis Kriegsende Mitglied des Aufsichtsrates. Zudem teilte er das ehemalige Einfamilienhaus in zwei Wohneinheiten, erhielt Miete und konnte die Gemeinkosten auf mehrere Schultern verteilen. Durch diese zusätzlichen Einnahmen und ein ausgesprochen sparsames Leben konnte sich die fünfköpfige Familie (der jüngste Sohn Peter wurde 1931 geboren) das große Haus leisten. Sie bewohnte das Erdgeschoß, aber im Sommer war der Garten der eigentliche Lebensraum. Walter Gießler hatte ihn gleich nach dem Kauf neu strukturiert und angelegt, Bruchsteinmauern, umlaufende Wege, kleine Sitzplätze und natürlich ein großer Nutzgarten zogen die Bewohner in seinen Bann. Die Kinder erinnern sich noch gut, wie der Lauf der Jahreszeiten ihre Spielgewohnheiten beeinflußte: Puppenhaus, Ritterburg und Eisenbahn wurden nur im Winter vom Dachboden geholt und dann im großen Wohnzimmer aufgebaut. Die übrigen Spielsachen und die Bücher paßten in ein kleines Regal. Zu allen anderen Zeiten waren sie mit ihren Freunden draußen, die täglich zu ihnen kamen und hier spielten, so auch Dieter Müller aus der Schloßstraße 23, der beste Freund von Peter. Da die Wirtschaftsräume (Küche, Waschküche, Speisekammer etc.) weiterhin im Keller lagen, wurden die Mahlzeiten einfach aus dem Fenster in den Garten gereicht. Das Eßzimmer in der Wohnung war wie eh und je durch den Speiseaufzug angeschlossen.
Drei Generationen am Teich im Garten: Gerhard, Margarete, Peter Gießler, Helene Klaunick, Inge Gießler. Photographie um 1935.
Trotz aller Einfachheit war das Leben nicht ohne Luxus. Der Vater fuhr in den 1930er Jahren bis zum 2. Weltkrieg ein Automobil, einen Adler Trumpf Junior, der in der Garage unter der Veranda seinen Platz hatte und nur für die Fahrten auf die Jagd und vereinzelte Verwandtenbesuche genutzt wurde. Die Mutter hatte im Haushalt Unterstützung durch ein „Mädchen“, das sein Zimmer ebenfalls in der Wohnung hatte. Es war meist eine junge Frau aus einem kleinen Ort vom Lande, die in der Stadt die Grundlagen der Haushaltsführung erlernen sollte. Kochen, Putzen, Waschen, Silberpflege, in allen Belangen wurden sie angeleitet, und die höchst penible Hausfrau arbeitete ebenfalls sehr viel. So hatte sie stets den Scheuerlappen zur Hand, wenn ein Besucher auf dem auf Hochglanz gebohnerten roten Linoleum der Diele ein Stäubchen hinterließ. Regelmäßig kam der Eismann und brachte in sehr großen Stangen oder Blöcken das Eis, das in die Metallwände des Kühlschrankes eingelassen wurde. Die „Mädchen“ blieben meist über viele Jahre, bis sie selbst heirateten, und der Kontakt war oft eng und herzlich, auch wenn die gesellschaftlichen Grenzen der Zeit nicht überschritten wurden. Sie begleiteten die Familie in die Ferien, aßen zu Hause aber nicht gemeinsam mit der Familie. Dafür kochten sie den Kindern Pudding, wenn die Eltern nicht da waren. Und das war oft der Fall, mehrmals in der Woche, denn sie führten ein reichhaltiges gesellschaftliches Leben. In Rudolstadt gab es verschiedene Kreise, und zum Freundeskreis des Ehepaares Gießler gehörten die Ehepaare Baurat Kempf, Amtsgerichtsrat Moser, Kreisforstrat Rock, Rechtsanwälte und Notare Lairitz und Richter. Einmal im Jahr kam der ganze Trupp von 12 Personen in die Schloßstraße zum Essen. Gesellige Runden mit Doppelkopf und Owambo, Sommerbälle, Karnevalsveranstaltungen, Treffen zu Silvester bestimmten die Woche und das Jahr des Ehepaares, Walter Gießler ging zudem zusammen mit Herrn Rock nach Milbitz auf die Jagd, zum Kegeln und zum Skat, seine Frau hatte ihre Kränzchen.
Ausgelassene Faschingsfeiern in Rudolstadt: Margarete und Walter Gießler mit Freunden.
Mit Beginn des Krieges änderte sich das Leben radikal. Bereits 1939 kamen die ersten Vertriebenen aus dem Hitler-Stalin-Pakt nach Rudolstadt und wurden in den großen Wohnungen der Stadt einquartiert. Das sorgte zwangsläufig für vielerlei Spannungen, denn letztlich war in jedem Zimmer des Hauses eine Familie untergebracht. Sie hatten alles verloren, als Hitler Stalin für dessen Stillhalten beim Einmarsch Deutschlands nach Polen einen Teil des Landes zubilligte. Sie mußten ihres verlassen und fanden sich als „Eindringlinge“ im Zuhause eines anderen wieder. „Sie wollten sich breit machen, waren sehr anspruchsvoll und waren laut“ urteilten die plötzlich eingeengten Bewohner, und das Linoleum in der Diele glänzte nicht mehr. Sie haben sich zusammengerauft im Laufe der Zeit. Mit fortschreitendem Kriegsverlauf kamen Flüchtlinge selbst aus dem stark bombardierten Ruhrgebiet nach Rudolstadt, und die Geschichten vom schönen Josef, der mit seiner Frau aus dem Ruhrgebiet kam, um die Damen herumscharwänzelte, eine Freundin in Rudolstadt hatte und mit der Familie in der Küche 17 und 4 spielte, entschädigten für allerlei Unbill. Seine Gattin, „eine wirkliche Dame“, ließ es geschehen, und die zusammengewürfelte Jugend knüpfte erste zarte Liebesbande. Als es auf das Kriegsende zuging, wurden die Versorgungsengpässe schlimmer. Die Küche, die alle gemeinsam nutzten, wurde vom Keller ins Erdgeschoß verlegt und blieb der einzige beheizte Raum. Hier spielte sich das gesamte Leben ab, und die Kinder lernten am Küchentisch für das Abitur. Der Garten mußte jetzt auch das Brennholz liefern, und einige große Bäume fielen dieser Zeit zum Opfer. Ende April 1945 kamen die Amerikaner. Beim Einmarsch flohen die Bewohner in den großen Keller des Hauses, von dort hörten sie voller Angst auf die Geräusche an den Haustüren und die anschließenden Schritte auf den Kellertreppen. Der jüngste Gießler-Sohn, Peter, 14 Jahre alt, wurde dazu ausersehen, die Soldaten durch das Haus zu führen. Aufgrund der Hanglage war es prädestiniert für die Stationierung von Heckenschützen. Als treu sorgende Schwester übernahm Inge Gießler diese Aufgabe für ihren Bruder, und es ging alles gut. Die schönen Villen waren begehrte Quartiere und Kommandanturen für die amerikanischen Truppen, und das Haus wurde geräumt. Die Familie zog nach gegenüber zu Hartmanns in die Schloßstraße 22, durfte aber im Keller Vorräte holen und weiterhin den Garten bearbeiten. Als Tochter Inge sich eines Tages wieder einmal mit dem Beschneiden der großen Hecke auf der Mauer vor dem Haus abquälte, kam einer der amerikanischen GIs und nahm ihr die Arbeit ab. Ein anderes Mal gab es Nescafé, aber es wurde und wurde kein Kaffee – sie hatten ihn kalt angerührt. Im Sommer 1945 kamen die Russen. Die Angst in der Bevölkerung war sehr groß, ihnen eilten schreckliche Berichte voraus von Mordlust, Vergewaltigungen und anderen Greueltaten. Die Grausamkeiten, die die Deutschen in den umliegenden Ländern begangen hatten, trugen die Russen mit besonderer, blindwütiger Härte ins Land zurück. In der Schloßstraße 25 merkte man davon nichts. Die Familie konnte ins Haus zurückkehren und bezog die obere Etage, unten wohnten jetzt Schmidts, die aus Wohynien geflohen waren, und viele andere Flüchtlinge. Diesmal nahmen Gießlers selbst Nachbarn auf, deren Häuser nun von den Russen beschlagnahmt waren. Dazu kamen ein russischer Offizier, den alle nur Valerie Valera nannten, und sein Bursche Mischa, die sich ein Zimmer teilten, und der russische Arzt Dr. Kerkowiak, Dogmob genannt, mittleren Alters und mit Ikonen auf dem Nachttisch, der ein großes Backgammon-Spiel mitbrachte (das früher in Deutschland noch Puff hieß). Es herrschte eine familiäre Stimmung, und alle miteinander verbrachten viel Zeit mit Spielen. Mischa mochte Margarete Gießler so sehr, nannte sie „Muttr“ und las ihr Briefe von zu Hause vor. Dann kullerten ihm die Tränen über die Wangen. Inge und Peter Gießler, „Schwester“ und „Bruder“, versprach er, gut auf sie aufzupassen, sie bräuchten keine Angst zu haben, er würde sie beschützen. Einmal vergaß Valerie seinen Revolver unter seinem Kopfkissen, und Margarete Gießler fand ihn dort beim Betten machen. Sie war furchtbar erschrocken, aber da kam der Vergessliche schon zur Tür hinein und nahm ihn an sich. Mischa hat gestohlen wie ein Rabe. Einmal brachte er eine lebende Gans mit. Margarete Gießler schlachtete sie, rupfte sie in der Gartenhütte, bereitete sie schmackhaft zu und Gießlers, Valerie und Mischa ließen sie sich schmecken. Ein anderes Mal hatte er Leder ergattert, aus denen machte der Schuster Stiefel für Inge. Dann wieder kam er mit Gardinen nach Hause. Alle wußten, wo sie herkamen. Sie hatten bei Werths in der Schloßstraße 27 gehangen. Langsam formierte sich die DDR, und die Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich begann. Eine Auswirkung davon war, daß das in den späten Kriegsjahren erworbene Abitur für ungültig erklärt wurde. Da beide aber studieren wollten, beschlossen Inge Gießler und ihre Freundin Eva, das Abitur von 1943 noch einmal zu machen. Ihre Umwelt erklärte sie für verrückt, aber die beiden verspürten ein Flair von Feuerzangenbowle. Unterschiede bestanden faktisch nur in den Fächern Geschichte und Biologie, so sprachen sie mit den Lehrern, die ihre Unterstützung zusagten. Der alte, politisch unbelastete Biologielehrer nannte ihnen sogar die Themen, ebenso ein anderer Lehrer, und vom mündlichen Abitur wurden sie befreit. So zog Eva im März 1946 von Königsee für drei Wochen zu ihrer Freundin. Wenn sie in der Veranda lernten, schlich Valerie Valera immer um die Treppen herum. Er hatte sich in Eva verliebt, die mit ihrer stattlichen Figur ganz seinem Geschmack entsprach. Zu dieser Zeit hatte Margarete Gießler für ihren Sohn Peter aus den alten Nessel-Sonnenschutz-Gardinen eine schicke Hose angefertigt. So eine wollte Valerie auch haben – um Eva zu beeindrucken. Die Hose wurde genäht, der Erfolg blieb aus.
Das Haus Schloßstraße 25 war das letzte an der von der Stadt heraufführenden Wasserleitung (die anderen wurden vom Schloß kommend versorgt). Im Krieg und auch noch danach war der Wasserdruck tagsüber oft so gering, daß es nicht mehr bis hierher reichte. So füllten die Bewohner nachts um 4 Uhr im Keller Wannen und Eimer, wenn es nicht reichte, so holten sie mit Töpfen und Eimern Wasser von Werths in der Schloßstraße 27. Photographie von 1946.
Ein oder zwei Jahre blieben die Russen im Haus, dann zogen sie ab. Langsam kehrte Normalität in die Villa in der Schloßstraße 25 zurück, wenn auch eine ganz andere Zeit anbrach. Im Erdgeschoß lebte von 1945 bis 1994 der Familienverband Schmidt/Müller, aufgrund sozialistischer Belegungspraxis meist mit mehreren Generationen. Die 160qm-Etagen bedurften einer klugen Familienplanung. In der oberen Wohnung wechselten die Mietparteien im Laufe der Jahre, vor allem, nachdem Margarete Gießler als letzte aus der Familie Ende 1963 nach Westdeutschland übersiedelte. Ihr Mann war aus der Kriegsgefangenschaft direkt nach Coburg entlassen worden, Sohn Peter schwarz über die Grenze geflohen, Tochter Inge am 1. Januar 1951 legal ausgereist. Der älteste Sohn, Gerhard, fiel im Krieg. Viele Jahre später stand ein junger blonder Russe vor der Türe und klingelte bei Müllers. Er kam, um „Muttr“ zu besuchen. Mischa war zu dieser Zeit in Erfurt stationiert und wollte die Mutti noch einmal sehen. Aber Margarete Gießler war nicht mehr da, sie verstarb 1969 in Köln.
Nach dem Krieg ordnete sich die Welt neu. Die Wohnungen wurden jetzt von städtischen Stellen belegt und die Mieten für alle verbindlich festgesetzt: Umgerechnet auf die Schloßstraße brachte das Dr. Walter Gießler Mieteinnahmen von 140 Mark pro Monat plus 10 Mark für die Dachstube, zu der die Toilette im Keller gehörte. Das deckte kaum die laufenden Kosten (1963 waren es z.B. 988,80 M für Steuern, Versicherungen und Nebenkosten), an Investitionen war nicht zu denken. Wer in dieser Zeit sein Haus behielt, war in der Regel sehr mit ihm verbunden, und auch für Walter Gießler, der immer darauf hoffte, eines Tages nach Rudolstadt zurückkehren zu können, kam ein Verkauf nie in Frage. 1953 traf auch ihn wie viele andere die „Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten“ vom 17.07.1952. Sie ermöglichte die Enteignung derjenigen Personen, die die DDR ohne offizielle Ausreisegenehmigung verlassen hatten und bestand bis zum 11. Juni 1953. Ob Walter Gießler in den vielen Briefen, die er darauf hin schrieb, besonders gut argumentierte oder einen Fürsprecher hatte, vielleicht einen ehemaligen Schüler, der sich seiner Sache annahm, kann nur spekuliert werden. Faktisch hatte Walter Gießler die DDR ja nicht verlassen, sondern war durch seine Entlassung aus Kriegsgefangenschaft direkt in die Westzone gar nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Aller Erfahrung zum Trotz wurde die schon ausgesprochene Beschlagnahme des Hauses rückgängig gemacht und im Grundbuch finden sich die beiden Eigentumsvermerke „Eigentum des Volkes 13.01.1954“ und „Dr. Walter Gießler aufgrund des Ersuchens der Abteilung Staatliches Eigentum wieder eingetragen am 13.08.1954“. Es gab anschließend noch den Versuch, das Haus in die Verwaltung durch den Rat der Stadt Rudolstadt zu übernehmen, aber da zunächst mit Margarete Gießler, dann einem Verwandten und seit 1973 dem Mieter Alfred Müller rührige Verwalter vor Ort waren, kam es nie dazu. „Jede Mark verbleibt im Bereich der DDR und wird dort ausgegeben“, schrieb Walter Gießler am 07.11.1954 an den Rat des Kreises Rudolstadt. Diese Zusage zu treffen war nicht schwierig, mußten doch die Mieten auf ein sogenanntes „Westzonen- und Westsektorenkonto“ eingezahlt werden, das gesperrt war. Von diesem Konto durften viele Jahre nur Kosten des Grundbesitzes selbst beglichen werden (laufende Kosten, Instandhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen, Schaffung von neuen Wohn- und Geschäftsräumen durch Um-, Aus- und Anbauten), „im Interesse der Verbesserung der Grundstückserhaltung“. Es war ein Glück für das Anwesen, daß hier über all die Jahre stets Mieter wohnten, die es wertschätzten, vorbildlich in Ordnung hielten und an der Erhaltung mitwirkten. Die Bewohner übernahmen viele Arbeiten in eigener Regie, angefangen von neuen Zäunen bis zur Reparatur von Fenstern, Sanitäreinrichtungen und Sockel, von der Bewirtschaftung des Gartens bis zur Abdichtung der Kellerböden, auch organisatorische Dinge waren bei ihnen in guten Händen. Manchmal wurde auch ein Kellerfenster zugemauert, weil kein neues zu bekommen war. Die Beschaffung von Geld und Material war der Findigkeit des Eigentümers, der nun in Coburg wohnte, überlassen und verdient eine kleine Ausführung. Ein Teil des Geldes wurde ins Land geschmuggelt. Ob man hierbei DM nahm oder sie vorher zum Kurs von zeitweise 1:10 bei westdeutschen Banken umtauschte, war Geschmacksache. Der Transfer in der Hosen- oder Manteltasche erwies sich als besonders verläßlich, und selbst, als Tochter Inge bei einer Einreise ihren Mantel im Zugabteil hängen ließ, als sich alle Reisenden an der Grenze auf dem Bahnsteig sammeln mußten, bestand keine Gefahr. Mit einem scharfen Messer aufgetrennte und wieder verschlossene Wellpappe von Geschenkpaketen war ebenfalls ein erstaunlich effektives Versteck, das zuweilen zehn mal im Jahr beansprucht und niemals entdeckt wurde. Eine weitere Möglichkeit vor allem für größere Summen bot sich durch eine indirekte Ost-West-Übertragung. Mieter und Verwandte, die ihren in Westdeutschland lebenden Kindern Geld zukommen lassen wollten, finanzierten die Reparaturen am Haus, Walter Gießler gab den Kindern den Gegenwert. All das war natürlich streng verboten. Die Bereitstellung des Baumaterials war schon schwieriger zu organisieren. Da der private Hauseigentümer ohne Beziehungen auf Planzuteilungen warten mußte, die gerne einen Zeithorizont von mehreren Jahren aufwiesen, blieben nur zwei Möglichkeiten: Import oder Kauf über die GENEX. In den ersten Jahren war Westdeutschen im allgemeinen die Einreise in die DDR nur per Bahn möglich, da hatte höchstens ein Kleinwerkzeug Platz. Nachdem Autoreisen zugelassen wurden, brachte Tochter Inge bei ihren regelmäßigen Besuchen Nägel, Farbe, Tapeten, eine elektrische Heckenschere und vieles mehr mit. Es gab aber noch einen anderen Weg. Keiner durfte davon wissen, und natürlich wurde er gezielt gestreut, schließlich war er immanenter Bestandteil des Devisenbeschaffungssystems Alexander Schalck-Golodkowskis: Die GENEX Geschenkdienst GmbH, Mitglied der Kammer für Außenhandel der DDR, über die Bürger der BRD ihren Bekannten und Verwandten in der DDR Konsumgüter zukommen lassen konnten – gegen DM selbstverständlich. Die Kauftransaktionen wurden über verschiedene Direktvertretungen im Westen wie die Palatinus GmbH in Zürich oder die Jauerfood AG in Kopenhagen abgewickelt. Worauf der DDR-Bürger jahrelang warten mußte, war hier sofort zu haben, zum Beispiel wurde 1971 der Trabant 601 Limousine Standard für 4.623 DM angeboten, sowie das gesamte übrige PKW-Angebot mit einer Lieferzeit zwischen zwei und sechs Monaten. Auch die Möglichkeit, kurzfristig den dazugehörigen Führerschein zu machen, konnte man hier erwerben. Walter Gießler benötigte nur einen Maschendrahtzaun, 75m mit 220m Spanndraht (beides kunststoffummantelt) und 6 Spannern. Draht und Spanner gab es nicht, den Zaun nur verzinkt. Die Abwägung GENEX oder Einfuhrgenehmigungsverfahren wurde durchleuchtet, so kann man sich mit einem Zaun gut ein Jahr lang die Zeit vertreiben. Vergleichsweise einfach, wenn auch mit fünf Jahren Vorlaufzeit etwas langwieriger war das Neudecken des Daches. Das Schieferdach war an einigen Stellen undicht und das eindringende Regenwasser richtete erheblichen Schaden an. Es war also notwendig, für Material und Arbeitsleistung im Jahresplan des Stadtbauamtes unterzukommen, was sich Jahr um Jahr verschob. Das Zinkblech für eine neue Dachrinne wurde 1972 aus dem Westen geschickt und verarbeitet, aber das Dach erst 1975 mit Preolith-Schindeln neu gedeckt. 16.061 M hat es gekostet. Die dazu erforderliche Hypothek verschlang jährlich 960 Mark, von denen nur 120 Mark durch die Mieten finanziert werden konnten. 1968 wurde die herrliche verglaste, aber sanierungsbedürftige Erdgeschoß-Veranda zur Schaffung weiteren Wohnraums geschlossen, 1970 in der oberen Veranda Fenster eingebaut. Den Ausbau des Dachgeschosses konnte Walter Gießler immer wieder verhindern. „Du machst es richtig, nur keine Einwilligung geben, hier muß man hart sein wie Granit,“ schrieb ihm seine Schwester Ella 1968. Es war also mit einigen Schwierigkeiten verbunden, ein Haus vom Westen aus zu erhalten. Ohne die Mithilfe von Mietern und Verwandten wäre es nicht möglich gewesen, Verfall, staatliche Verwaltung, Verkauf oder Enteignung zu verhindern. Studienrat Dr. Walter Gießler verstarb 1981 in Coburg, ohne sein Haus jemals wiedergesehen zu haben. Seine Tochter Ingeborg von Killisch-Horn hatte bereits 1973 ihr Erbe angetreten, mit dem sie über die Jahre bestens vertraut war. Als 1989 die Wende kam, konnten endlich die Sanierungen beginnen, die so lange schon hätten vorgenommen werden müssen.
Von 1991 bis 2002 dauerten die Arbeiten, und die Kosten eines solchen Unterfangens übersteigen die eines Neubaus. Eine Villa zu besitzen ist Liebhaberei, heute wie damals, als sie erbaut wurden. Seit über 80 Jahren ist die Villa Schloßstraße 25 nun in Familienbesitz, mittlerweile mit Astrid von Killisch-Horn in der dritten Generation, die nicht von ungefähr eine der Autorinnen dieses Buches ist. 2007 zog sie mit ihrer Familie in das nach ihren und den Entwürfen ihres Mannes Klaus-Peter Stecker ausgebaute Dachgeschoß, und Tochter Anna kam 2008 in Rudolstadt zur Schule.
Das Gebäude an der Kehre Schloßstraße/Friedrich-Naumann-Straße, das unter Denkmalschutz steht, erstrahlt heute in leuchtendem Gelb wie im Jahre 1902, und das klare, unprätentiöse Haus, das Hanns-Günther von Necker für sich erbauen ließ, ist auch für seine Nachbesitzer wie geschaffen.
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